Als ich vor einem halben Jahr aufwachte, war es dunkel. Wie jeden Morgen blickte ich auf mein Handy, um die Uhrzeit zu erfahren. Innere Zwänge führen seit längerer Zeit dazu, dass ich immer auch noch bei Facebook nachgucke, was los ist. Es nie etwas los. Nur an diesem Morgen war etwas anders. Überall Lemmy Kilmister, der Bassist und, nunja, Sänger der Motörhead war tot. Nun jetzt doch. Bekannt dafür, dass er sich fast ausschließlich von Whiskey und Drogen ernährte und trotzdem noch lebte, war er siebzig Jahre alt geworden, sah am Ende aber aus wie mein Großvater, als er mit 89 Jahren starb. Ich wunderte mich schon sehr, für wen Lemmy immer ein Vorbild war, aber egal.
Für mich war Lemmy nie ein Vorbild. Ich fand seine Art zu leben für mich nicht praktikabel. Nach der Schule habe ich das mal sechs Wochen versucht und dachte, ich müsse sterben. Und seine Weisheiten, waren Weisheiten, aber ob sie wirklich der Weisheit entsprangen, weiß ich nicht.
Aber ich fand seine Musik immer toll. Es fing in der fünften Klasse an, dass ich mich über Europe, Bon Jovi und Aerosmith immer näher an die härtere Gangart der Gitarrenmusik herantastete. Bis mir 1989 eines Morgens Sascha eine Kassette gab. „Hier, hör mal.“ Das Cover war mit einer Comicbestie und viel Blut versehen und war irgendeine Kompilation, wie sie bestimmt nicht von der Band gutgeheißen war. Cool.
Ich hatte damals einen Walkman, der bei Woolworth 10 Mark gekostet hatte und vier Batterien auf dem Hinweg zur Schule brauchte. Insofern konnte ich die Kassette erst zuhause hören. Das erste Lied war „Bomber“. Eine Live-Version. Die Live-Version.
Puh, was war das? Rocknroll. Ja, schon. Aber, Alter. Ich war auf Knopfdruck in der Pubertät. Jedenfalls nicht mehr nur körperlich. Danach kamen ein paar nicht so tolle Alben, aber Motörhead haben mich seitdem immer und überall hin begleitet.
Gestern schaute ich Fußball. Ich und Fußball sind nicht die allerbesten Freunde. Dafür dauert mir ein Spiel einfach zu lange. Innere Zwänge führen seit längerer Zeit dazu, dass ich nebenbei immer bei Facebook oder Twitter nachgucke, was los ist. Diesmal hiess es, Bud Spencer sei tot. Meine erste Reaktion war: „Schon wieder?“ Mit dem Vermelden von dessen Tod ist nämlich in der Vergangenheit sehr oft Schindluder getrieben worden. Nachdem aber die Treffer in der Google-News-Suche immer zahlreicher wurden und auch die Eilmeldung der Tagessschau-App erschien, war es sicher: Ein weiterer Held meiner frühen Jugend ist gestorben.
Es war wieder so ein Moment, in dem man einen echten Verlust spürt. Als wäre derjenige Teil der Familie gewesen. Bud Spencer ist im Alter von 86 Jahren gestorben. In diesem Alter darf man sich schon einmal verabschieden, ich war trotzdem sehr traurig. Denn über Bud Spencer konnte ich mein gesamtes Leben lachen.
Für seinen Humor musste man kein bestimmtes Alter haben. Es war eher hinderlich, älter zu werden. So bin ich einer der wenigen in meinem Umfeld, der auch heute noch einen gelungenen Sonntag an der Bud-Spencer-Dichte im Nachmittagsprogramm misst.
Das lustige an den Filmen war wahrscheinlich die Synchronisation von Rainer Brandt und das künstliche Klatschen der Fäuste war das Geräusch meiner Kindheit. Bevor Lemmy kam.
Und die Fressszenen! Hier meine liebste aus „Das Krokodil und sein Nilpferd.“
Keiner meiner Helden ist wirklich überraschend gestorben. Insofern kann ich so manches Entsetzen nicht ganz nachvollziehen. Unsere Helden werden nun einmal alt. Meistens sind sie älter als wir und sterben eben vor uns. Vielleicht sind wir auch nur so betroffen, weil das Bewusstsein dafür stärker wird, dass wir uns auf dem Weg in die Kiste befinden. Und dass dieser Weg immer kürzer wird.
PS: À propos Helden: